Das ist eine Situation, die man sich für sein Rentenalter nicht wünscht: Man hat viele Jahre in eine Pensionskasse eingezahlt, um sich eine betriebliche Altersversorgung (bAV) zu sichern und die gesetzliche Rente aufzustocken, aber dann wird diese Zusatzrente gekürzt. Das kommt selten vor, weil im Fall einer Leistungskürzung der Pensionskasse normalerweise der Arbeitgeber den fehlenden Betrag aufstocken muss. Doch was geschieht, wenn der Arbeitgeber Insolvenz anmeldet und von ihm nichts mehr zu erwarten ist? Einem Rentner ist genau das passiert, doch er wollte den Verlust nicht einfach hinnehmen und klagte.
Das passiert bei einer Insolvenz des Arbeitgebers – und so urteilte das BAG
Die bAV basiert auf den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) und bestimmt in § 14 Abs. 1 den ‚Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit‘ (PSV) zum Träger der Insolvenzsicherung. Hinter dem Verein stehen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Bundesverband der Industrie sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Der PSV springt ein, wenn sich ein Unternehmen im Insolvenzverfahren befindet und nicht mehr in der Lage ist, die bAV-Ansprüche seiner Rentner zu bedienen. Das hatte auch der klagende Rentner für sich reklamiert. Dagegen steht jedoch das BetrAVG, das für Zahlungsausfälle von Pensionskassen keinen solchen Schutzmechanismus vorsieht. Der Gesetzgeber hatte seinerzeit die Meinung vertreten, dass die Ansprüche der Versorgungsberechtigten gegenüber den Pensionskassen auch bei einer Insolvenz des Arbeitgebers nicht gefährdet sind.
Doch die Richter des Bundesarbeitsgerichts stellten fest, dass das nationale Recht mit dem BetrAVG und das europäische Recht an dieser Stelle nicht konform gingen: Die EU-Richtlinie 2008/94/EG schreibt in ihrem Artikel 8 „die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen im Alter,[…], aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungsversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit“ vor. Nach EU-Recht darf demnach kein Unterschied zwischen den einzelnen Durchführungsmöglichkeiten der bAV gemacht werden, wenn es um die Sicherung der Ansprüche aus der bAV nach einer Insolvenz geht.
Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit setzte das BAG sein Urteil 2018 aus und gab die Frage, ob der PSV die Pflicht hat, bei Leistungskürzungen der Pensionskasse einzuspringen, an den EuGH weiter. Die Richter in Luxemburg sprachen sich in ihrem Urteil vom 19.12.2019 (Az. C‑168/18) für ein „Jein“ aus: Danach darf es nicht sein, dass für das Ausbleiben von Leistungen der Pensionskassen im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers niemand, auch nicht der PSV, einspringt. Die Eintrittspflicht sah das Gericht allerdings nur in solchen Fällen, in denen die Reduzierung der Rente unverhältnismäßig ausfällt. Das ist dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger nach dem Wegfall der Leistungen an den Rand der Armutsgrenze rückt oder diese sogar unterschreitet. Damit stellten die Richter klar, dass Art. 8 der EU-Richtlinie nicht die vollständige Absicherung der Arbeitnehmeransprüche verlangt.
In zwei vorangegangenen EuGH-Urteilen (vom 24.11.2016 Az. C- 454/15 bzw. 06.09.2018, Az. C 17/17) hatte das Gericht bereits klargestellt, dass ein Arbeitnehmer wenigstens 50 % seiner erworbenen Altersrente bei der Pensionskasse erhalten muss. Von diesem Wert kann abgewichen werden, wenn dieser deswegen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle leben muss.
Das BAG übernahm diese Sichtweite für die konkrete Klage: Im verhandelten Streitfall liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers gegen den PSV nicht vor, weil es sich weder um eine Kürzung um mehr als die Hälfte handelte noch die Rentenbezüge die Armutsgrenze unterschritten.
Der Gesetzgeber hat sich ebenfalls dieser Ungleichbehandlung angenommen
Die finanziellen Probleme der Pensionskassen sind im Wesentlichen durch die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase ausgelöst worden. 36 und damit mehr als ein Viertel der 135 Pensionskassen werden derzeit nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) intensiv von ihr beobachtet. Diese Schieflage hat den Gesetzgeber zum Handeln bewogen: Mit einer am 24. Juni 2020 in Kraft getretenen Übergangsregelung im BetrAVG wurde die Sicherung von Zusagen der Pensionskassen auch für alte Sicherungsfälle des PSV übertragen. Für diese Altfälle trägt jedoch der Bund die dem PSV entstehenden Kosten. Nach dem neuen § 7 BetrAVG muss der PSV ab dem 1. Januar 2022 auch dann für Pensionskassenzusagen aufkommen, wenn der Arbeitgeber insolvent wird. Damit dieser Termin nicht zu einer ungerechten Hängepartie wird, hat das BAG in seinem Urteil klargestellt, dass für Sicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 2022 entstanden sind, Ansprüche gegen den PSV ausschließlich unter den vom EuGH definierten Voraussetzungen bestehen.